2. Was ist Landeskunde als Kulturwissenschaft?

  1. Was heißt Landeskunde als Kulturwissenschaft? Welche Aufgabe hat sie?

Wie schon in erstem Beitrag angezeigt, hat die Landeskunde in letzter Zeit eine erneute Rolle im DaF-Unterricht gewonnen. Während die traditionelle Landeskunde sich mit relevanten Fakten und Zahlen eines bestimmten Landes (in diesem Fall: Deutschlands) beschäftigt, setzt sich die nun als Kulturwissenschaft angesehene Landeskunde die Aufgabe der Vermittlung von Verstehens- und Verständigungskompetenzen, um „deutschsprachige Texte angemessen zu verstehen und angemessen zu ihnen Stellung nehmen zu können“ (S. 10). Deswegen- wenn Landeskunde als Kulturwissenschaft betrachtet wird- sind die Begriffe „Kultur“ und „kulturelle Deutungsmuster“ zu vertiefen, weil sie in diesem Zusammenhang eine grundlegende Rolle spielen.

  1. Welchen Kulturbegriff favorisiert Altmayer? Warum diesen?

Prof. Dr. Altmayer favorisiert den vom amerikanischen Ethnologen bezeichneten Kulturbegriff des „selbstgesponnenes Bedeutungsgewebe“, in dem die Menschen verstrickt seien. Diese Metapher stellt den sozialen bzw. diskursiven Prozess in den Vordergrund und macht die Tatsache deutlich, dass  dieses „Gewebe von Bedeutungen“ durch die Interaktion in der Gesellschaft herstellt und verändert wird.

Im Anschluß dazu, stellt Prof. Dr. Altmayer Kultur als geteiltes Wissen (’shared knowledge‘) auf, und zwar als in kommunikativen Handlungen bzw. in Texten selbstverständlich gültiges und gemeinsam akzeptiertes  Wissen, das normalerweise implizit bleibt und trotzdem wesentlich zum Verständnis deutschsprachiger Texten ist. All das, was in der Regel für bekannt vorausgesetzt wird, kann in der Tat zur Ursache für Nichtverstehen oder Falschverstehen werden.

  1. Was sind „kulturelle Deutungsmuster“?

Um seinen Unterbegriff von „kulturellen Deutungsmustern“ zu entwickeln, greift Prof. Dr. Altmayer auf einer Seite aus der Wissenssoziologie und auf der anderen aus der kognitiven Psychologie (Wissenspsychologie) zwei Begriffe zurück, und zwar die Begriffe „Deutungsmuster“ und „Schemata“ (d.h. Muster). All das, was wir erleben, wird als Muster im Gedächtnis gespeichert und durch das Erleben neuer Erfahrungen aktualisiert. Diese Typisierungen deuten unsere individuelle Wahrnehmung der umgebenden Wirklichkeit und orientieren unser Handeln in dieser Wirklichkeit. Sie sind nämlich Wissensstrukturen, die 1) aufgrund der gespeicherten Erfahrungen das, was für typisch gehalten wird, in Verbindung bringen, 2) sich beim Stoßen auf bestimmte äußere Daten aktivieren (bottom up) und 3) bei der Verarbeitung dieser Daten unseren Verstehensprozess steuern (top down).

Mit „kulturellen Deutungsmustern“ definiert also Prof. Dr. Altmayer solche Wissensstrukturen, die wir als Individuen im Verlauf unserer Interaktion mit anderen Individuen, die zu unserer selben Sprach- und Kommunikationsgemeinschaft gehören, teilen und immer wieder verwenden, um die Welt zu deuten und unser Handeln aufgrund dieser Muster zu orientieren.

Infolgedessen versteht er unter „Kultur“ den einer Gruppe zur Verfügung stehenden Vorrat an gemeinsamer Deutungsmustern. Wie schon im vorigen Eintrag angezeigt, ist es aber wichtig zu bemerken, dass die „deutschen Deutungsmuster“ nicht mit der deutschen Nation, sondern ausschließlich mit der deutschen Sprache zu tun haben, d.h. mit der deutschsprachigen Texten, die solche Muster- unabhängig von ihrer ursprünglichen Herkunft- zur Deutung der Welt verwenden (z.B. das Muster „Lenin“ im Film Goodbye Lenin!).

  1. Was heißt „kulturelles Lernen“?

Das im Landeskundeunterricht gezielte „kulturelle Lernen“ bedeutet die DaF-Lerner in der Lage zu versetzen, das vorausgesetztes Wissen, d.h. die als allgemein bekannt und selbstverständlich präsupponierten kulturellen Deutungsmuster, die in einem deutschsprachigen Text verwendet werden, zu rekonstruieren und explizit zu machen, um mögliche Quellen für Nichtverstehen oder Falschverstehen zu vermeiden. Sie sollen nämlich fähig werden, deutschsprachige Diskursen kulturwissenschaftlich zu analysieren.

Durch die Auseinandersetzung mit deutschsprachigen Kommunikationssituationen sollen die DaF-Lerner Verstehens- und Verständigungskompetenzen erwerben, damit sie 1) über die ihnen verfügbaren und vertrauten Muster nachdenken, 2) bereit dazu werden, sie anzupassen, umzustrukturieren, zu erweitern oder zu ergänzen, 3) in der Lage werden, die in den deutschsprachigen Diskursen identifizierten Mustern einen kulturell angemessenen Sinn zuzuschreiben und 4) dazu selbstbewusst eine angemessene Stellung (kritisch oder affermativ) nehmen können (z.B. zum Deutungsmuster „Begrüßungsritual“).

 

Literatur:

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